„Gib mir 4“: Interview mit Noèl Funke zu Hackers4Good e.V.

Noèl, wir kennen uns seit der ersten Leetcon 2016, einer großartigen Konferenz, die du insgesamt dreimal organisiert und durchgeführt hast. Dabei hast du von Beginn an auch dein ehrenamtliches Engagement einfließen lassen und deine Gäste zum mitmachen motiviert. Ich erinnere mich an ein „Radrennen“ auf Fahrradergometern, bei denen jeder gefahrene Kilometer Spendengelder generiert hat und auch an deine Geschenkelieferung an den Weihnachtsmann im hohen Norden, damit dieser die Geschenke an Kinder in Deutschland bringen kann . Dazu bist du mit deinem LKW „Paulchen“ unterwegs gewesen. Daher heißt dieses Interview nicht „Gib mir 4“, sondern „Gib mir 4×4“.

Martin: Charity, also Nächstenliebe, ist ein wichtiger und sinnstiftender Teil des Menschseins. Was motiviert dich, was treibt dich an und gibt es für dich eine Besonderheit in sozialem Engagement von ITlern oder überhaupt in der IT?

Noèl: Eine Grundmotivation ist natürlich, dass es auf der Welt überall Kinder und Jugendliche gibt, die unsere Hilfe benötigen um in eine vernünftige Zukunft zu blicken. Egal ob bei digitalen IT-Themen oder auch ganz normalen Lebenssituationen. Selbst hier in Deutschland gibt es über 20.000 Kinder, die in Armut leben müssen. Es gibt zig tausend Kinder die nicht mal ein eigenes Bett haben. Kinder in Albanien teilen sich in der Schule zu viert einen Bleistift. Kinder und Jugendliche in Südafrika haben kaum Chancen auf Bildung, wenn sie nur 100km außerhalb der Hauptstädte leben, oder werden zwangsverheiratet, misshandelt … zur Arbeit gezwungen. Die Liste kann endlos fortgeführt werden … Ein unglaublicher Zustand!

Wir haben das Glück in einem ziemlich komfortablen Umfeld zu leben und können ein wenig zurückgeben, ohne das es uns weh tut. Daraus ist auch der Gedanke der Weihnachtstour mit „PAUL“ entstanden. Es tut eben nicht weh einige Wunschbriefe von sterbenskranken Kindern mit auf eine Reise zum Weihnachtsmann mitzunehmen … der Dank sind leuchtende Kinderaugen, die manchmal das letzte Geschenk ihres Lebens erhalten.

Ich denke, dass die Besonderheit an uns ITlern ist, dass wir in der digitalen Welt zu Hause sind und digitale Aspekte für eine Hilfe, die zukunftsorientiert angelegt ist, sonst eher weniger berücksichtigt werden. Aber letztlich ist nicht alles von IT und digitaler Welt abhängig. Wenn jemand Hilfe braucht und wir können Sie geben, ohne das es weh tut … gibt es keinen Grund es nicht zu tun. Gerade bei Kindern und Jugendlichen, die mit unserer Hinterlassenschaft leben müssen.

Geschenkefahrt zum Weihnachtsmann zur Auslieferung
Geschenkefahrt zum Weihnachtsmann zur Auslieferung

Martin: Gemeinsam haben wir den Verein Hackers4Good e.V. gegründet. Du bist der „Kopf“ und Ideengeber. Welche Ziele verfolgt der Verein?

Noèl: Die Menschen schauen in eine digitale, sich schnell verändernde Zukunft. Mein großes Steckenpferd ist die IT-Security und wie wir es auch gesellschaftlich schaffen diese digitale Zukunft vor allem sicher zu meistern. Kinder und Jugendliche bekommen hier oft wenig Unterstützung wenn es um digitale Themen geht und wie man zum Beispiel mit sozialen Medien umgeht. Auf sich allein gestellt lernen sie oft nicht den richtigen Umgang oder eignen sich falsche Denkweisen an. Jedes Kind, welches wir zu einem verantwortungsvollen Umgang mit IT, sozialen Medien und der digitalen Welt bewegen können bedeutet für mich:

  • ein Mobbingopfer weniger
  • ein Täter weniger
  • weniger Cyberkriminalität in Verbindung mit Kindern
  • eine Vorbereitung für die digitale Zukunft
    … und viele Themen mehr.

    Wir wollen einfach „handeln“ und nicht irgendwo Geld hinwerfen. (#mirhacknhalt)

Die Besonderheit dabei ist, das wir Hacker, Nerds oder IT-Leute direkt aus der Quelle schöpfen können und damit auch fachliches Wissen weitergeben können; die Kids mit praktischen Beispielen an das Thema heranführen können. Zusätzlich zu wichtigen Skills, die wir vermitteln, organisieren wir für bedürftige Kinder und Jugendliche auch Hardware, damit sie den Anschluss an die digitale Zukunft nicht verpassen.

Martin: Vor dir liegt eine engagierte Zeit in Afrika. Welche Pläne habt ihr und was möchtet ihr dort erreichen?

Noèl: Das Motto ist: Wir schenken einer Region die Zukunft ihrer Kinder! Ein guter Freund engagiert sich dort schon seit mehr als 15 Jahren. Es gibt auf einem großen Gelände einer Mission verschiedene Gebäude, Sportplätze und Einrichtungen. Nahe der Grenze zu Lesotho, in Underberg stehen bereits 14 Gebäude, die verschiedene Einrichtungen beheimaten. Waisenhaus, Kinderheim, Preschool, Highschool, ein SafeHouse für misshandelte Mädchen, Sporteinrichtungen und eine Art Wohnbereich für Jugendliche auf dem Weg ins Berufsleben. Die Aufgabe ist nun eine unterbrechungsfreie, stabile Versorgung mit Strom und Internet zu installieren. Hierzu müssen wir erstmal erfassen wie die Gegebenheiten vor Ort sind und mit Behörden und Versorgern sprechen. In Kooperation wird es alternative Konzepte wie Solarenergie geben. Im nächsten Schritt wird es eine Art berufsvorbereitende Schule geben in der wir IT-Skills vermitteln wollen, Grundkenntnisse, Programmierung, Office, etc. Dazu gehört auch der Aufbau dieser Schule auf technischer Ebene. Hardware, Infrastruktur, Zugang zu Medien und Internet. Derzeit gibt es dort schon ein Konzept für Gärtnerei & Landwirtschaft, sowie eines für Schneiderei & Hauswirtschaft. Wir übernehmen den Technologie-Part. Alles in allem ein auf lange Zeit und Nachhaltigkeit angelegtes Projekt.

Martin: Gibt es einen Punkt, der dir bei diesem Thema besonders am Herzen liegt?

Noèl: Es ist schockierend wie viel Bedarf an Hilfe allein hier in Deutschland herrscht und wie grotesk teilweise damit umgegangen wird. Ebenso wie der Umgang mit digitalen Themen gibt es an jeder Ecke etwas zu tun. Ein Projekt, das ich dabei besonders unterstütze, ist eine Web-Schule in Bochum, wo Kinder unterrichtet werden, die wegen Gewalt, Mobbing, Krankheit oder anderen Gründen nicht in die Regelschule gehen können. Die Kosten werden zwar nach langem Behördenkampf oft übernommen … aber die Kids haben keine Hardware um überhaupt am Online-Unterricht teil nehmen zu können. Das ist doch total GaGa … oder nicht? Also ein typischer Fall für die Hackers4Good … wir geben den Kids die Hardware, damit Sie für die Zukunft lernen können. Auch die Themen um soziale Medien, Mobbing und Missbrauch im Netz liegen mir sehr am Herzen und wir unterstützen immer wieder mit Kampagnen an Schulen und auf Veranstaltungen.

Erste Infos haben wir auf Facebook online gestellt: Hackers4Good (Facebook)